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Macht Kathmandu Schule?

Der politische Umsturz in Nepal im September 2025 stellt einen entscheidenden Einschnitt in der jüngeren Geschichte des Landes dar. Auslöser der Massenproteste war zunächst ein staatliches Verbot von 26 Social-Media-Plattformen, darunter WhatsApp, Facebook, Instagram, YouTube und X, das offiziell mit neuen Registrierungsregeln begründet wurde, von vielen jedoch als Versuch verstanden wurde, Meinungsfreiheit einzuschränken und Kritik an der Regierung zu unterdrücken. Innerhalb weniger Tage nach dem 8. September formierte sich eine breite Protestbewegung, die von jungen Menschen („Generation Z“) getragen wurde, die sich seit langem von Korruption, Nepotismus und politischer Instabilität enttäuscht fühlen.
Auf den Straßen Kathmandus und anderer Städte verschmolzen Wut über den Verlust digitaler Räume mit grundsätzlicher Ablehnung eines Systems, das sie als verkrustet und elitär erleben. Gewaltige Demonstrationen, Straßenschlachten mit der Polizei und Angriffe auf Regierungsgebäude führten schließlich zu einem dramatischen Höhepunkt: Teile des Parlaments und anderer Behörden wurden in Brand gesetzt, es kam zu zahlreichen Toten und Verletzten. Führende Gestalten der Proteste distanzierten sich vom Tumult, in den die Proteste umgeschlagen waren. Doch das Ziel wurde erreicht, Premierminister K. P. Sharma Oli sah sich gezwungen zurückzutreten. Eine Übergangsregierung unter der Juristin und Übergangspräsidentin Sushila Karki wurde eingesetzt, die erste Frau in dieser Funktion, ein Symbol für die Herausforderung des patriarchalen Systems, das Nepal seit Jahrzehnten prägt. Das Parlament wurde aufgelöst und Neuwahlen für März 2026 angekündigt.
Menschenrechtsorganisationen, die Vereinten Nationen und ausländische Regierungen äußerten von Anfang an scharfe Kritik am Social-Media-Verbot und an der Unterdrückung der Proteste. Ratingagenturen warnten vor negativen wirtschaftlichen Folgen, Unternehmen und Tourismus gerieten ins Stocken, und Beobachter in Indien und China, den beiden übermächtigen Nachbarn, verfolgen die Entwicklung mit Sorge, da Stabilität in Nepal für ihre geopolitischen Interessen von Bedeutung ist. Vergleiche wurden schnell zu anderen Jugendbewegungen weltweit gezogen, die mithilfe digitaler Netzwerke autoritären Tendenzen entgegentreten. Auch in Nepal zeigte sich, dass ein staatlicher Eingriff in digitale Kommunikationsräume unmittelbar Widerstand hervorruft und dass die Generation Z ihre politischen Forderungen auf neue Weise artikuliert: dezentralisiert, viral und jenseits traditioneller Parteien.
In den folgenden dramatischen Tagen weiteten sich die Proteste aus, es kam zu Sitzblockaden und Straßensperren durch Demonstranten, gegen die die Polizei zunächst mit Härte vorging. Das heizte die Proteste jedoch noch an, die sich nun immer mehr gegen die weitverbreitete Korruption auch unter Politikern richtete. Es kam zu Plünderungen und zum Sturm auf Regierungsgebäude, die zum Teil in Brand gesteckt wurden.
Eine Woche später trat Premierminister K. P. Sharma Oli zurück. Eine Übergangsregierung mit der die Bisherige Vorsitzende des Obersten Gerichts, Sushila Karki, wurde am 16. September als Übergangspräsidentin eingesetzt, die erste Frau in dieser Funktion. Das Parlament wurde aufgelöst, Neuwahlen sind für März 2026 angekündigt. Daraufhin beruhigten sich die Proteste, bei denen 72 Menschen ums Leben gekommen und rund 2100 verletzt worden sein sollen.
Die Protestbewegung verlangte nicht nur die Rücknahme repressiver Maßnahmen, sondern auch tiefgreifende Reformen – mehr Transparenz, Bekämpfung von Korruption und echte Teilhabe an politischen Prozessen. Sushila Karki ist die Wunschkandidatin des politischen Protests und steht symbolisch für einen Politikwechsel. Das patriarchale System in Nepal hatte bisher weibliche Führungspersönlichkeiten weitgehend ausgeschlossen – doch immerhin hatte diese Frau es zur obersten Richterin des Landes gebracht.
Damit stellt sich die Frage, ob es tatsächlich gelingen kann, aus der Revolte nachhaltige institutionelle Veränderungen zu entwickeln. Gelingt es der Übergangsregierung, die Neuwahlen fair zu gestalten, und kann das Land trotz wirtschaftlicher Erschütterungen wieder Stabilität gewinnen, könnte Nepal zum Beispiel für eine politisch erfolgreiche Jugendbewegung werden. Scheitert dieser Prozess, droht das Land jedoch in den alten Kreislauf aus Instabilität und Enttäuschung zurückzufallen. Der Umsturz in Nepal zeigt in jedem Fall auf eindrückliche Weise, wie stark digitale Kommunikation, internationale Aufmerksamkeit und jugendlicher Protest zum Bruch mit patriarchalen Strukturen führen können. In den südasiatischen Medien wird diese Entwicklung mit großer Aufmerksamkeit verfolgt. Das Beispiel Nepal hat das Potential, Schule zu machen: Es zeigt, wie verkrustete und korrupte politische Strukturen aufgebrochen werden können: Ein Signal des Neuaufbruchs, das die Menschen überall in Südasien augenblicklich verstehen.
Heinz Werner Wessler

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