K(hadga) P(rasad) Sharma Oli bleibt Vorsitzender der UML (Communist Party of Nepal, Unified Marxist-Leninist). Die Wahl fand während der 11. Generalversammlung von 13. bis 18. Dezember in Bhaktapur statt. Sharma Oli wurde zum zweiten Mal wiedergewählt. Er amtiert seit 2011, mit einer Unterbrechung von 2018 von 2021, als die UML aufgrund der Fusion mit den Maoisten zur Nepal Communist Party formal nicht bestand. Oli war jedoch Co-Vorsitzender der NCP. Er ist 73 Jahre alt (Männer werden in Nepal im Schnitt 68 Jahre). Bis vor Kurzem sagten die Statuten der UML, dass ein Vorsitzender das Alter von 75 Jahren nicht überschreiten soll. Er wurde nun für mindestens fünf Jahre bestätigt. Die UML ist die zweite Großpartei des Landes neben dem Nepali Congress (NC).
Das Ergebnis war landesweit und parteiübergreifend mit Spannung erwartet worden, musste doch Sharma Oli während der Gen Z-Proteste Anfang September um sein Leben fürchten und war aus dem Amt des Premierministers buchstäblich verjagt worden: Er musste im Armeehubschrauber aus dem Büro des Premierministers evakuiert werden. Die UML zieht nichtsdestotrotz mit dem gleichen Vorsitzenden in die nächste Parlamentswahl (House of Representatives election), die am 5. März 2026 stattfinden soll. Parteivorsitzende sind nicht automatisch Premier-Kandidaten – in der Realität dann aber doch. Der Abgang der alten Führungsriege der drei größten Parteien NC, UML und der Maoisten war eine der Hauptforderungen der Gen Z-Proteste.
Der NC verfügt inzwischen zumindest formal über einen neuen Chef, den amtierenden Präsidenten (acting president) Purna Bahadur Khadka, formal Vize-Vorsitzender des NC. Nominell Vorsitzender (President) ist Sher Bahadur Deuba geblieben, der sich aufgrund der Ereignisse im Rahmen der Gen Z-Proteste bislang im Hintergrund gehalten hat. Die Maoisten fusionierten mit einigen kommunistischen Klein-Parteien. Deren „neuer“ Chef (coordinator genannt) wurde Pushpa Kamal Dahal (aka Prachanda). Er hatte davor die Maoisten mehr als 30 Jahre angeführt. So will nur die UML nicht einmal oberflächlich oder symbolisch etwas ändern.
Das zeigt zunächst, wie gut Sharma Oli seine Partei, die aktuell die zweitgrößte im Land ist, trotz Protesten noch im Griff hat. Seine Wiederwahl birgt jedoch für seine Partei bei den geplanten Wahlen im März ein beträchtliches Risiko. Denn kein Politiker verkörpert die Korruption und Verwahrlosung des politischen Systems in Nepal stärker als er. Bei den Mitgliedern der UML mag er noch populär sein. Wenngleich ein gerüttelt Maß an Zurechtbiegen der Regeln (political engineering) und erhebliche Manipulation der Wahlregeln nötig war, um die äußerst skeptischen Delegierten zu überzeugen.
Bei der Bevölkerung ist Sharma Oli der unbeliebteste Politiker von allen. Doch er ignoriert nicht nur die Rufe nach seinem Abgang; auf seine nur zu gut bekannte Weise verhöhnt er die Gegner. Dabei drohen der UML, ihren Kandidat(inn)en und vor allem ihrem Vorsitzenden in der aufgeheizten Atmosphäre Schlimmeres als „nur“ eine Wahlschlappe. Es ist schwer vorstellbar, wie er bei seinen öffentlichen Auftritten geschützt werden soll. Bhaktapur im Kathmandu-Tal war vergleichsweise sicher. Im Tarai sieht es ganz anders aus. Oli ist die riskanteste Wahlwette, die die UML bis dato eingeht.
Oli wird wohl auf die Trägheit der Massen setzen – darauf, dass die Ereignisse um den 8. September als spontaner Ausbruch verstanden wird und der Gen Z-Bewegung bald die Beharrlichkeit vergeht, ihre Forderungen mit Nachdruck zu verfolgen. Doch das sind Vermutungen. Sollten sie nicht eintreten, wäre es vermutlich endgültig vorbei mit der Karriere des alten Kämpfers, der sich 1969 im Alter von 17 Jahren dem Jhapa movement angeschlossen hatte. Die Jhapa-Bewegung war ein bäuerlicher Aufstand im Distrikt Jhapa Anfang der 1970er Jahre. Jhapa liegt nicht weit von Naxalbari in Indien entfernt. Dort wurde der revolutionäre Maoismus Indiens geboren, 1967 die ersten Großgrundbesitzer getötet. Zwei Jahre später geschah dasselbe in Nepal, Sharma Oli war beteiligt. Von 1973 bis 1987 saß er dafür im Gefängnis, wo er des Öfteren gefoltert wurde.
Während die UML sich mit Sharma Oli auf eine kaum zu gewinnende Wette einlässt, mehren sich die Anzeichen für eine gänzlich neue Partei, die zumindest in Teilen auf der Gen Z basiert und Erfolg haben könnte. Initiator ist Balen Shah, seit 2022 Bürgermeister Kathmandus, parteilos und der vermutlich aktuell beliebteste Politiker des Landes. Shah kann man einen Vorreiter der Gen Z nennen. Er will mit einem anderen, recht beliebten Politiker eine Verbindung eingehen, mit Kul Man Ghising, dem Mann, der 2016 als Chef der nationalen Elektrizitätswerke die Lampen in Nepal zum Leuchten brachte. Dritter in diesem Bunde soll Rabi Lamichhane sein, der frühere Innenminister, der wegen Unterschlagung und Korruption schon im Gefängnis saß. Immerhin ist er relativ jung und nicht normaler mainstream – was unbeschadet seiner schillernden Vorgeschichte in Nepal aktuell geradezu als Plus zu werten ist.
M.S.





