Vor vier Jahren ergriffen die Taliban die Macht in Afghanistan. Seitdem prägen schwere Menschenrechtsverletzungen und eine humanitäre Krise das Land. Doch das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge (BAMF) lehnt immer mehr Afghan(inn)en im Asylverfahren ab.
Wenn man sich die Asylstatistiken des Bundesamtes für Migration und Flüchtlinge (BAMF) anschaut, dann müsste man meinen, die Lage in Afghanistan habe sich zuletzt stark verbessert. Direkt nach der Machtübernahme der Taliban am 15. August 2021 bekamen afghanische Asylsuchende in deutschen Asylverfahren zunächst zu fast 100 Prozent Schutz (2022 und 2023). Im Jahr 2024 waren es immerhin noch 93 Prozent. In der erste Jahreshälfte 2025 sank die Schutzquote rapide ab, auf nur noch rund 60 Prozent und nur noch rund 50 Prozent im Juni 2025.
Mit der Realität in Afghanistan hat die sinkende Schutzquote aber nichts zu tun: Die Taliban herrschen weiter mit eiserner Hand. So veröffentlichte die UN-Unterstützungsmission für Afghanistan (UNAMA) im April 2025 einen Bericht, demzufolge die Unterdrückung durch die Taliban zunimmt. Die Behörden scheinen entschlossen, ihre Vorstellung eines Kalifats rigoros durchzusetzen. Frauen müssen sich stets vollständig in der Öffentlichkeit verschleiern und in der Öffentlichkeit stumm bleiben. Männer müssen Bärte und dürfen keine ‚westlichen Haarschnitte‘ tragen. Selbst Musik im öffentlichen Raum gilt als unislamisch und ist verboten.
Im Juli 2025 berichtete UNAMA über Folter, Misshandlungen, willkürliche Inhaftierungen und Bedrohungen der Taliban gegen Personen, die aus Pakistan oder Iran abgeschoben wurden. Auch die humanitäre Lage in Afghanistan ist katastrophal. Schätzungsweise 22,9 Millionen Afghan(inn)en sind auf humanitäre Hilfe angewiesen, eine der schlimmsten humanitären Krisen weltweit. Die Streichung amerikanischer Hilfsgelder trägt das ihre dazu bei (siehe SÜDASIEN Heft 2). Gleichzeitig werden Hunderttausende aus Pakistan und dem Iran abgeschoben. Der UN-Hochkommissar für Menschenrechte, Volker Türk, forderte am 17. Juli deswegen einen Stopp jeglicher Zwangsrückführungen von Afghan(inn)en in das Land. Auch das Deutsche Institut für Menschenrechte lehnt Abschiebungen aufgrund der dortigen Menschenrechtssituation ab. Gleichwohl hatte die Bundesregierung am 18. Juni 2025 insgesamt 81 Afghan(inn)en nach Kabul abgeschoben.
Erst wenige Tage vor der Abschiebung hatte der Internationale Strafgerichtshof (IStGH) in Den Haag Haftbefehle gegen Anführer der Taliban erlassen. Die Haftbefehle richten sich gegen den Taliban-Chef Haibatullah Achundsada und den Obersten Richter Afghanistans, Abdul Hakim Hakkani. Der Taliban-Führung werden Verbrechen gegen die Menschlichkeit zur Last gelegt.
SÜDASIEN wird in Heft 3 weiter darüber berichten.
Theodor Rathgeber
Quelle:
Schutzquote rapide gesunken: Immer mehr Afghanen werden im Asylverfahren abgelehnt