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Verbot der Tehreek-e Labbaik Pakistan

Am 23. Oktober erließ die pakistanische Bundesregierung das Verbot der Tehreek-e Labbaik Pakistan, einer der größeren radikalislamischen politischen Parteien des Landes. Grund sind schwere Unruhen und Straßenkämpfe vom 10. bis 13. Oktober. Die Labbaik ist in der Tat berühmt-berüchtigt für ihre street power. Im konkreten Fall waren mehrere Tausend Labbaik-Anhänger auf dem Weg von Lahore nach Islamabad, um vor der US-Botschaft ihrem Protest gegen das Gaza-Abkommen und Solidarität mit Palästina Ausdruck zu verleihen. Die Kolonne wurde in Murdike, etwa 60 Kilometer außerhalb von Lahore, von einem großen Polizeiaufgebot gestoppt, bei der Straßenschlacht kamen offiziell fünf Menschen ums Leben (manche Gerüchte sprechen von mehreren hundert Toten). Die Partei wurde mit Berufung auf den Anti Terrorism Act wegen Terrorunterstützung und Aufrufen zur Gewalt verboten.

Die Labbaik wurzelt im Kult um den hingerichteten Attentäter Mumtaz Qadri. Jener hatte als Leibwächter den Gouverneur von Punjab, Salman Taseer, Anfang 2011 mit seiner Dienstwaffe getötet. Qadri rechtfertigte den Mord mit Taseers Engagement für Asia Bibi, einer Christin, der wegen der umstrittenen Blasphemiegesetze die Todesstrafe drohte. Qadris Tat und sein Prozess sorgten über Jahre für heftige Debatten und rückten die Themen Blasphemie, und wie der Staat darauf zu reagieren habe, ins Zentrum der Politik. Besonders tat sich ein religiöser Gelehrter namens Khadim Hussain Rizvi hervor, der Qadris Tat verteidigte und seinerseits Taseer der Blasphemie beschuldigte. Seine Ansichten kosteten ihn seine staatliche Arbeitsstelle. Er blieb jedoch dabei und wurde zum erklärten blasphemy activist. Qadris Exekution und Beisetzung waren ein landesweites Ereignis, sein Grab wurde zum Wallfahrtsort für die Anhänger seiner Konfession, den barelvis. Rizvi nutzte die erhöhte Aufmerksamkeit zur Gründung der Labbaik (= ‘Hier bin ich’; Beginn des Gebets al talbiyah, somit „Bewegung ‘hier bin ich’ Pakistan“).

Die Labbaik unter ihrem ameer (Führer) Rizvi setzte sich weiterhin für die Verteidigung und tatsächliche Anwendung der Blasphemie-Gesetzgebung ein. Bei Wahlen kam sie auf knapp fünf Prozent der Stimmen, wurde aber wegen des Mehrheitswahlrechts keine parlamentarische Größe. Umso deutlicher trat sie auf der Straße in Erscheinung. Im Oktober 2017 zum Beispiel wurde wochenlang der Faizabad Chowk, die Hauptkreuzung der Stadtautobahn Rawalpindi-Islamabad, blockiert. Täglich gab es Zusammenstöße mit der Polizei, Verletzte und Tote. Auch sonst arteten fast alle ihre Kundgebungen in Straßenschlachten aus. Besonders die leidgeprüfte Bevölkerung von Islamabad und Lahore war vorgewarnt, wenn wieder eine Labbaik-Demo im Anmarsch war.

Mehr als die Hälfte der Muslime Pakistans gehört wie Qadri und Rizvi den barelvis an. Anhänger hatte die Labbaik deshalb viele. Als Rizvi 2020 mit 54 Jahren unter nicht ganz geklärten Umständen starb, kamen mehrere hunderttausend Trauergäste zu seinem Begräbnis. Das war die größte Machtdemonstration der Labbaik, ganz Pakistan war beeindruckt. Unklar ist dagegen, woher die finanzielle Unterstützung kommt, wobei es genügend Hinweise gibt, wenn man andere radikal-religiöse Parteien betrachtet. Praktisch alle werden entweder von reichen Golfarabern gesponsert; oder sind mit den lokalen Geheimdiensten verbandelt. Zumeist trifft beides zu. Street power allein reicht in Pakistan nicht aus, um die wichtigste Zufahrt der Hauptstadt wochenlang zu blockieren.

Das wirft die Frage auf, warum ausgerechnet jetzt das Verbot kam. Vermutlich ist es das aktuell geradezu herzliche Verhältnis zu den USA. Entgegen den Erwartungen überschüttet Donald Trump Pakistan mit Lob und demütigt Indien wie selten. Da passt eine weitere Straßenschlacht am Rande von Islamabad, zumal anlässlich des soweit größten außenpolitischen Triumph Trumps, nicht ins Bild. Wiederum ist unklar – oder auch nicht – was das Verbot konkret bedeutet. Die Labbaik war von April bis November 2021 schon einmal verboten. Auslöser damals waren Proteste nach der Verhaftung von Saad Hussain Rizvi, Sohn von Khadim Hussain und neuer ameer der Labbaik, der zur Deportation des französischen Botschafters aufgerufen hatte. Saad Hussain wurde begnadigt und die Labbaik re-legalisiert – unter der Bedingung, auf gewalttätige Proteste zu verzichten.

M.S.

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