Filmkomödie als Mittel gegen Autorität
Ali Ahsan, Shama Jan
Was hat ein Film, der in einem Dorf in Kerala gedreht und online veröffentlicht wurde, mit dem „Zentrum“ in Neu-Delhi und dem muslimischen Thema zu tun? Unter den Bedingungen eines säkular ausgerichteten Indiens vermutlich gar nichts. Aber die Zeiten sind bekanntermaßen andere. Warum eine Filmkomödie so viel Aufhebens machen konnte, erzählen die Autorin und der Autor.
Der Film Halal Love Story wurde zu einer Zeit an die Öffentlichkeit gebracht (2020), als nicht abzusehen war, dass der indische Staat seine Agenda gegen Dalits und Muslime und umgekehrt seine Propaganda für die militante Hindutva zurückfahren würde. Im Gegenteil: In Uttar Pradesh erließ die Landesregierung geradezu zeitgleich das Gesetz Prohibition of Unlawful Conversion of Religion Ordinance 2020, das gemeinhin als „Gesetz gegen den Liebesdschihad“ bezeichnet wird. Die Regierung von Uttar Pradesh unter Chief Minister Ajay Mohan Bisht (der sich selbst Mönch nennt und sich zum Politiker „Yogi“ Adityanath gewandelt hat) verbietet darin den Religionswechsel zum Zweck der Heirat. Dies ist symptomatisch für die anhaltenden Versuche der RSS (Rashtriya Swayamsevak Sangh), die wachsende Präsenz von Dalits und Muslim(inn)en in der Öffentlichkeit zu unterbinden.
Zum Film
Die Halal Love Story spielt im Herzen der Region Malabar. Mitglieder einer fiktiven religiösen Organisation versuchen, einen Film zu drehen. Die Figuren in diesem Film bemühen sich, Kunst zu betreiben und ihre Geschichten authentisch zu erzählen. Dabei werden sie durch die übermächtige Autorität einer abstrakten und fiktiven Sankhadana (Organisation) behindert. Der Staat Jamathul Ikhwan Al-Wathan, ein erfundener Name, der auf die islamische Gruppierung Jamaat-e-Islami anspielt, übt Macht über das alltägliche Verhalten seiner Mitglieder aus. Der Film zeigt, dass ein religiöser Staat die Achtung vor den Heiligen Schriften als Mittel einsetzt, um im Ergebnis einen recht seltsamen Einfluss auf seine Anhänger/-innen auszuüben. Das künstlerische Unterfangen der Figuren wird unter den Bedingungen einer Zensur zu einem politischen Akt.
Die Filme von Zakariya Mohammed zeigen oft ein starkes Interesse am radikalen Potenzial von Gesprächssituationen, die sich als Gegensatz zum Interesse von Autoritäten entwickeln, die wiederum ein reibungsloses Funktionieren wollen – wie die Sankhadana. Zakariya Mohammeds Erzählungen stellen eine subtile Art des Widerstands gegen eine allmächtige Autorität zur Schau. Der Film arbeitet mit Bildern der Anschläge vom 11. September 2001 und einer Rede im Hintergrund, die die interventionistische Außenpolitik der Vereinigten Staaten in Westasien in Frage stellt. Mit diesen Szenen legt Halal Love Story unterlegt er die Frage, was wird passieren, wenn die beiden filmbegeisterten Sankhadana-Mitglieder Shaheel und Rahim Sahib über die Möglichkeit nachdenken, einen Film zu drehen.
Der reale gegenwärtige, nationalistische Eifer im Land, der die Menschen entlang imaginärer Grenzen spaltet, wird im Film in das Thema transnationale Solidarität mit unterdrückten Muslim(inn)en in anderen Ländern umgewandelt. Als die Filmfigur Abukka (Mamukoya) sich im Film auf eine Szene vorbereitet, weigert er sich, Cola zu trinken (die ein Ersatz für Alkohol darstellen soll) und trinkt stattdessen Kattan Chaya (schwarzen Tee). Abukkas Religiosität erschöpft sich nicht im Verzicht auf Alkohol, der haraam (schlecht) ist. Darüber hinaus wehrt er sich vehement dagegen, Produkte zu konsumieren, die in den USA hergestellt werden. Die USA würden die israelische Besetzung palästinensischer Gebiete unterstützen. Ein indirekter Verweis auf die Boykott-, Deinvestitions- und Sanktionsbewegung (BDS), die hier für einen kurzen Moment im Kontext von Humor auftritt.
Die Filmgeschichte erinnert an Abbas Kiarostamis Through the Olive Trees (1994), sowohl im Inhalt (spielt in der iranischen Provinz) als auch in der Form (ein Film über das Drehen eines Films) sowie in seiner Einbettung in ein provinzielles, regionales Milieu. Das Provinzielle in Mohammeds Film drückt sich unter anderem in spontanen alltäglichen Gesprächen aus. Die Filmfiguren verständigen sich dabei jedoch ohne Worte durch einfache Akte der Liebe und Fürsorge. Auch der Moment, in dem Siraj (Joju George) von Thoufeeq (Sharafuddeen) durch die einfache Frage, ob es ihm gut gehe, berührt wird, ist eine Sequenz, die gängige Verhaltensnormen außer Kraft setzt und zu einem Moment des Widerstands wird. Solche liebenswert komponierten Momente ergeben sich unerwartet und eben auch aus peinlichen Situationen. Aber selbst diese entwickeln sich organisch, wenn der fromme Muslim auf die geächtete Muslima trifft, weil sie gemeinsam einen Film drehen wollen.
Der subtile Stachel wider die Autorität
Der Film geht über die bloße Darstellung muslimischer Charaktere hinaus. Die Hauptdarstellerin Suhra (Grace Antony) scheint größtenteils mit der von der religiösen Autorität auferlegten Strenge zurechtzukommen. In ihrer Zurückhaltung gegenüber den Feststellungen der Autorität spielt sich jedoch eine Vielfalt an subtilen Möglichkeiten aus, das System zu erschüttern. In einer der einprägsamsten Szenen des Films kämpft sie mit Problemen, die ihren Ehemann betreffen und die im Film ihrem Auftritt im Wege stehen. Sie weigert sich, dem wohlmeinenden Mitglied der Sankhadana, Rahim Sahib, ihren inneren Konflikt zu offenbaren. Auf die Frage, ob sie aus vollem Herzen und nicht doch aus Zwang der Sankhadana zugestimmt habe, antwortet Suhra: „Was auch immer die Organisation von mir verlangt hat, ich tue es aus vollem Herzen.“ Indem sie ihre Geschichte zurückhält, übt sie ihre Autonomie mit anderen Mitteln aus. Sie antwortet auf alte Fragen über das Geschlecht und die Beziehung zur Autorität in anderer als der gewohnten Weise.
Der Regisseur schafft es auch, Siraj, den pothu (liberalen) Muslim, als auch Thoufeeq, den orthodoxen Muslim, weder als durchgängig „progressiv“ noch als „regressiv“ zu kennzeichnen. Das Treffen zwischen dem Regieteam und dem Team der Drehbuchautoren findet bezeichnenderweise in der „Paradise Bar“ statt, die im Hintergrund mit roten Lichtern angestrahlt wird. Auf skurrile Art treffen sich unterschiedliche Typen von Muslim(inn)en mit dem gemeinsamen Ziel, einen Halal-Film zu drehen.
Die Geschichte hat den Nerv eines Publikums getroffen, das mit der islamischen Bewegung Jamaat-e-Islami (1941 von Abul A’la Maududi gegründet) vertraut ist, zumal sie sich in Malabar abspielt. Allerdings ist die Kritik an der Politik der Jamaat-e-Islami in dem Film stellenweise so subtil, dass sie für ein größeres Publikum unverständlich bleibt, das nicht mit den inneren Abläufen der Sankhadana vertraut ist. In einer Szene im Film verspricht die Sankhadana alle Arten von Unterstützung für die Herstellung des Films – außer einer finanziellen Hilfe. Die Sprache im Schreiben, das die Unterstützung gewährt, und die allgemeine Haltung der Mitglieder des Exekutivkomitees zeigen, das in der bürokratischen Autorität, ausgeübt von intellektuellen Durchschnittsmännern, das Wesentliche verloren geht. Die Organisation neigt dazu, in einem Sumpf von Diskursen zu versinken, die sich mit der dringenden Frage der Finanzierung nicht befassen oder gar ansprechen. In dem Schreiben wird lediglich die „Erlaubnis“ für die Produktion des Films erteilt. Die Macht funktioniert in der Sprache und durch die Sprache, die allgegenwärtig ist. Die fiktive Organisation im Film steht allgemein für das Paradigma einer Politik, in der Organisation alles ist.
Das erinnert an ein ähnliches Thema, das im Film Sandhesham (1991) behandelt wird. Zwei Brüder, die Führungspersonen rivalisierender politischer Parteien sind, wenden sich gegeneinander. Die Sandesham (Botschaft) dieses modernen Klassikers des Malayalam-Kinos besteht darin, dass er suggeriert, es gebe keinen wirklichen Unterschied zwischen den beiden „rivalisierenden“ Parteien, solange diese von einer Politik mit gängigem Organisationsschema geleitet und betrieben werden. Dasselbe gilt auch in der Halal Love Story. Der Identifikation der Organisation ist weniger wichtig als das Ordnungs- und Organisationsprinzip, das der ihr innewohnenden Autorität folgt.
„Kunst“ wird hier zum Mittel, die vielen Möglichkeiten politischen Handelns aufzuzeigen. Der Film erzählt die Geschichte des in der Zukunft fertig zu stellenden Films, wobei die Auseinandersetzungen und Hemmnisse, die mit der Herstellung verbunden sind, eigenartig und mit der Region verknüpft sind. In vielerlei Hinsicht erzählt der Film die Geschichte eines „Heimatfilms“ und dient als Plattform für die (Film-) Dramatiker/-innen und Künstler/-innen, die Teil der Sankhadana waren. Der Film zeigt, wie die Kunstproduktion zulässige eigene Wege beschreiten lassen kann. Handwerklich ist erwähnenswert, dass die Halal Love Story die Geschichte des Kampfes um die Herstellung eines Films erzählt. Der Film als solcher bleibt im Film unvollständig und unvollendet. Diese Unvollständigkeit symbolisiert den eigentlichen Inhalt einer subtilen Widerständigkeit.
Das Regionale und das Besondere, das nicht alle verstehen
Darüber hinaus machen die Sprache, die Regionalität und der Humor die Halal Love Story so einzigartig – zum Preis, dass hier auch die Grenzen der Verständigung mit einem breiten Publikum liegen. Die Reaktionen auf den Film verdeutlichen dies. Allein die Tatsache, dass der Film mit muslimischen Charakteren in einer mehrheitlich muslimischen Region von Kerala spielt, brachte die rechtsextreme RSS gegen ihn auf. Sie wütete gegen einen „Film-Dschihad“. Die Linken in Kerala stuften den Film wiederum als „regressiv“ und „gefährlich“ ein, weil er sich mit den Themen Gemeinschaft und Glauben befasst. Einige vermuteten, der Film sei vom Jamaat-Lager produziert worden. So entdeckten sie eine „maududistische“ Ideologie hinter dem Film und bezeichneten ihn als propagandistisch. G.P. Ramachandran, ein bekannter Filmkritiker, sah in dem Film hingegen in erster Linie einen Kommentar zur Organisationspolitik. Er kritisiert die Filmemacher allerdings dafür, dass in dem Film eine direkte Kritik an der Jamaat-e-Islami zu kurz komme. Außerdem erwecke der Film den Eindruck, er verherrliche die Sankhadana. Der Film sei insoweit „Müll“. Ähnlich wie Ramachandran verweist auch S.R. Praveen auf die „wohlmeinenden“ Charaktere (nanma maram), die in den Filmen von Zakariya und Parari vorkommen und stellt deren gutmeinenden Absichten in Frage. Aber warum dieses Misstrauen? Kann es sein, dass der Grund für diesen Vorbehalt in der realen Geschichte der Jamaat liegt, die in Kerala von der Left Democratic Front (LDF) zur United Democratic Front (UDF) wechselte? Wenn dies eine Kritik ist, die aus der Hermeneutik des Verdachts geboren wurde, sollten wir dann nicht auch dem Verdacht selbst gegenüber misstrauisch sein?
Die Avantgarde-Attitüde der Linken und die darin enthaltene, implizite „antimuslimische“ Haltung zeigen sich in der Rezeption und Kritik durch große Teile der Linken in Kerala. Sie scheinen verunsichert aufgrund der „Zweideutigkeit“ des Films in Bezug auf die Politik der Sankhadana. Diese Zweideutigkeit kann jedoch nicht zuletzt wegen des offenen Filmendes sehr wohl eine künstlerische als auch eine politische Position bedeuten. Kurios: Abdussalam Ahmad, ein prominentes Mitglied der Jamaat-e-Islami, forderte die Muslime auf, sich den Film anzusehen. Es handele sich um eine wajib (Pflichtübung). Diese Reaktion erinnert an den Inhalt des Briefes im Film. Ahmad erteilt „die Erlaubnis“, dass alle Muslime sich den Film ansehen können. Ebenso kurios: Die meisten Mitglieder der Jamaat-e-Islami scheinen tatsächlich zu glauben, der Film würdige die Arbeit der Jamaat. Der Film selbst hingegen porträtiert bestenfalls die muslimische Gemeinschaft von Malapurram, von Malabar und vielleicht auch vom Rest der Welt, indem er deren Probleme und Sorgen darstellt. Insbesondere, wenn sie mit organisatorischen oder religiösen Institutionen der Macht zu tun haben, die bei fast jeder Entscheidungsfindung die Heiligen Schriften zitieren.
Muhsin Parari, Zakariya Mohammed (Co-Autoren) und dem Rest des Teams gebührt Anerkennung allein dafür, dass sie einen Spielfilm in Malappuram mit seiner einzigartig lebendigen Kultur gedreht und damit eine filmische Lücke geschlossen haben. Der Film schafft es, ohne einen zentralen Protagonisten die Aufmerksamkeit über die gesamte Laufzeit zu halten. Der Film gipfelt in der „Umarmung“” und den Problemen, die eine solche öffentliche Zurschaustellung von Zuneigung in Malabar und insgesamt in Teilen Südasiens mit sich bringt. Siraj besteht darauf, die Umarmung zwischen dem Hauptdarstellerpaar zu drehen. Thoufeeq lehnt dies mit dem Argument ab, dass die Sankhadana mit der Szene nicht einverstanden sei. Dies könne als Förderung der Werte von Schmuddelkindern interpretiert werden. In einer früheren Szene hatte Thoufeeq zu Raheem Sahib sagt: „Ich bin nicht vor Gott, sondern vor der Organisation auf der Hut“. Suhras und Shareefs (Indrajith Sukumaran) Gedankenspiele im Film, diese Szene zu spielen, sind Beispiele, wie Selbstzensur funktioniert. In der Schlussszene jedoch finden sich beide in der Umarmung wieder. Das Paar diagnostiziert im Film seine Krise und öffnet einen Weg zur Versöhnung. Es ist der Raum der Kunst, der sich als mögliches Medium anbietet, überhaupt an so etwas zu denken: die verschwommenen Grenzen zwischen Erlaubtem und Verbotenem, zwischen Liberalität und Konservatismus, zwischen Unterwerfung oder Überschreitung der Autorität zu überwinden.
Aus dem Englischen übersetzt von Theodor Rathgeber
Zur Autorin und zum Autor
Shama Jan lehrt englische Literatur am Kalindi College der Universität Delhi.
Ali Ahsan ist Doktorand am Fachbereich Englisch der Ashoka University in Sonipat.
Texthinweis
Der Originaltext erschien am 19. Februar auf der Internetplattform himalmag unter dem Titel The Subtle Art of Resistance.