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Bengalen im Strudel des Kriegs im Libanon

In den Golfstaaten und im sogenannten Nahen Osten gibt es Millionen von Wanderarbeitern aus Süd- und Südostasien. Anstellungsbasis ist in der Regel das umstrittene Kafala-System („Sponsorship“). Dieses System bindet den Aufenthaltsstatus der Arbeiter an ihre Arbeitgeber, was diesen erheblichen Einfluss über Leib und Leben der Arbeitnehmer gibt. Viele dieser Wanderarbeiter, die meistens als Hilfsarbeiter oder in Haushaltsberufen tätig sind, leiden unter Missständen wie Nichtzahlung von Löhnen, übermäßigen Arbeitszeiten, unzureichende gesundheitliche Versorgung und sogar erzwungener Einschränkung der Bewegungsfreiheit. Besonders Frauen, die häufig als Hausangestellte arbeiten, sind von Ausbeutung betroffen. Menschenrechtsorganisationen wie Human Rights Watch (HRW) veröffentlichen seit vielen Jahren regelmäßig Berichte, die Ausbeutung und sklavenhaltungsähnliche Lebensumstände dokumentieren und konkrete Reformschritte einfordern. Geändert hat das vor Ort wenig.

Selbst in den wirtschaftlich weniger blühenden Staaten der Levante gibt es diese Wanderarbeiter. Im Libanon wird ihre Zahl auf 250.000 geschätzt, die meisten davon Frauen. Viele dieser Arbeiterinnen und Arbeiter werden über kommerzielle Agenturen rekrutiert, die hohe Gebühren von den Arbeitgebern verlangen. Diese Agenturen sind Teilhaber in einem missbräuchlichen Ausbeutungssystem auf Kosten der Menschen. Sie behalten beispielsweise Löhne ein und unterstützen das System der menschlichen Ausbeutung teilweise bis hin zu Drohungen an die Adresse der Familie der Wanderarbeiter daheim. Trotzdem erscheint vielen verarmten Menschen in Südasien die Hoffnung auf einen Job im Ausland immer noch besser als ein perspektivloses Weiterleben im Dorf oder im städtischen Slum. Bemühungen, das Kafala-System zu reformieren, gibt es durchaus, auch im Libanon – doch blockieren libanesische Gerichte diese Reformen und erhalten den Status quo aufrecht.

In den vergangenen Wochen und Monaten ist der Krieg zwischen Israel und der Hisbollah immer weiter eskaliert und reisst den Libanon mehr und mehr in eine wirtschaftliche und humanitäre Katastrophe. Hunderttausende von Menschen sind aus dem Süden geflüchtet und kampieren zum Teil unter erbärmlichen Bedingungen in Beirut und im Rest des Landes. Unter den intern Vertriebenen sind nach Angaben der bangladeschischen Gemeinschaft allein schätzungsweise 3.000 Bangladeschis. Man kann davon ausgehen, dass auch zahlreiche Wanderarbeiter aus Nepal, Sri Lanka, Pakistan und anderen Ländern betroffen sind. Dank der Bemühungen der Regierung von Bangladesch und internationaler Organisationen wie der International Organisation for Migration (IOM) wird zwar humanitäre Hilfe geleistet, aber die Lage bleibt für viele Arbeiter schwierig, nicht zuletzt wegen des Wegfalls von Lohnzahlungen.

Sowohl die Hamas als auch die Hisbollah sind von Iran unterstützte nichtstaatliche Akteure und spielen eine wichtige sozio-politische Rolle in ihren jeweiligen Regionen. Laut dem libanesischen Gesundheitsministerium wurden seit der Intensivierung der israelischen Luftangriffe auf Hisbollah-Ziele Mitte September mehr als 1.400 Menschen getötet und 7.000 verletzt.

Mindestens sieben Staatsangehörige von Bangladesch wurden verletzt, aber laut Angaben der Gemeinschaft im Libanon wenigstens bisher keiner getötet. Bisher hat die neue Regierung von Bangladesch noch nicht entschieden, ob sie ihre Staatsangehörigen ausfliegen wird.

Ein Vertreter des Außenministeriums erklärte jedoch, dass Gespräche mit bangladeschischen Missionen im Nahen Osten über die Evakuierung von Bangladeschis im Gange seien. Insgesamt sollen selbst im wirtschaftlich und politisch heruntergewirtschafteten Libanon allein bis zu 100.000 bangladeschische Wanderarbeiter im Libanon ansässig sein, die Mehrheit davon weibliche Hausangestellte.

Heinz Werner Wessler

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