Karl-Heinz Golzio hat uns am vergangenen 3. April plötzlich verlassen. Leser*innen von Südasien kennen ihn von einer Vielzahl von Artikeln. Der letzte und geniale Überblicksartikel „Mit Stalin zum Sieg!“ erschien in Heft 3-2022 über aktuelle Erscheinungsformen und Hintergründe der aktuellen Politik in Tamil Nadu.
Zu aktuellen politischen Fragen wusste er immer etwas zu sagen, doch seine Spezialgebiete lagen weiter weg. Vor mir liegt seine Monographie „Geschichte Afghanistans“, die wir 2010 als Band 9 der Bonner Asienstudien in Kooperation des Südasienbüros mit dem Bonner Institut für Orient- und Asienforschung herausbringen konnten. Und hier habe ich auch das „Oxford Lexikon der Weltregionen“, das Karl-Heinz nicht nur ins Deutsche übersetzt, sondern in vielen Einträgen auch verbessert und erweitert hat. Die deutsche Version ist zweifellos besser als das englische Original.
Nach der exzellenten Doktorarbeit scheiterte sein geplantes Habilitationsprojekt zum Inklusivismusbegriff des Indologen Paul Hacker wohl an der mangelnden Unterstützung durch seinen Doktorvater und damaligen Lehrstuhlinhaber für seinen ehemaligen, doch inzwischen aufmüpfig gewordenen Doktoranden. Jahre später konnte sich Karl-Heinz nicht zurückhalten und revanchierte sich mit einem unglaublich sachkundigen Verriss der Akademieschrift des besagten Doktorvaters. Da hatte er sich bereits an ein Leben gewohnt, das sich von Projekt zu Projekt hangeln musste, oft am Existenzminimum entlang. Die Pensionierung hat diese Lebensführung nicht verändert.
Das Südasienbüro verliert einen seiner hingegebenen „Südasiat*innen“. Die Welt des Wissens verliert einen der letzten panasiatisch denkenden Historiker, der sich in der Welt der Bücher wie der Fisch im Wasser bewegte. Ich verliere einen lieben Freund, den ich fast vier Jahrzehnte kannte und mit dem ich einige Jahre Schreibtisch an Schreibtisch gesessen, gearbeitet und gelacht habe. Möge er in Frieden ruhen.
Heinz Werner Wessler (eine ausführlichere Würdigung erscheint im kommenden Südasien 1-2/2023)