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Israels geheimes Angebot zur Bombardierung pakistanischer Nuklearanlagen

Die internationale Debatte um nukleare Aufrüstung und nukleare Präventivschläge ist keineswegs ein neues Phänomen. Bereits in den späten 1970er Jahren, genauer um 1980, hatte der israelische Geheimdienst Mossad ein spektakuläres Angebot unterbreitet: Israel bot Indien an, gemeinsam pakistanische Nuklearanlagen zu bombardieren – ein präventiver Schlag gegen das Atomprogramm Pakistans, der nach sicherheitsdienstlichen Informationen auf dem Weg zur Atombombe war. Die „islamische“ Bombe, so die israelische Befürchtung, könnte von Islamabad aus in den Nahen Osten gelangen. Wahrscheinlich war schon beim angeblich privaten Besuch des damaligen israelischen Außenministers Moshe Dayan in Delhi im August 1979 von diesen Plänen die Rede.

Die Einzelheiten des eigentlich geheimen Vorschlags, die aber doch schon bald durchsickerten, beschreiben unter anderem Adrian Levy und Catherine Scott-Clark in ihrem Buch „Deception: Pakistan, the United States, and the Secret Trade in Nuclear Weapons“ (2007). Pakistan liegt noch weiter weg von israelischem Staatsgebiet als der Iran. Eine so drastische Aktion der Luftwaffe schien ohne Operationsbasis in Indien unmöglich. Nach Recherchen westlicher Geheimdienste und Aussagen indischer Militärkreise ging es in diesem Fall um ein einziges Objekt, nämlich die pakistanische Nuklearforschungsanlage in Kahuta. Dort hatte eine staatlich gut alimentierte Projektgruppe um Abdul Qadeer Khan, der Vater der pakistanischen Atombombe, bereits entscheidende Fortschritte bei der Urananreicherung erzielt.

Die Anlage war zu einem Symbol des atomaren Ehrgeizes Pakistans geworden. Indien hatte bereits 1974 einen erfolgreichen atomaren Test unternommen, angeblich nur aus wissenschaftlichem Interesse. Premierministerin Indira Gandhi hatte sogar das Versuchsgelände in der Wüste Rajasthans besucht, doch es blieb zunächst bei der Drohgebärde, die allerdings wohl der eigentliche Auslöser für das Streben des Nachbarlandes nach der Bombe wurde. Offiziell befürwortete Indiens Regierung auf internationaler Ebene die nukleare Abrüstung und verzichtete auf nukleare Bewaffnung – bis 1998, als Indien auf einen Schlag gleich fünf atomare Tests durchführte, gefolgt von Pakistan wenige Wochen später mit sechs Tests.

Israel, das 1981 mit dem Präventivschlag gegen den irakischen Reaktor Osirak unter Beweis stellte, dass es willens und fähig war, feindliche Nuklearambitionen zu neutralisieren, sah auch in Pakistan eine wachsende Bedrohung. Obwohl Pakistan keine offene Feindschaft gegenüber Israel pflegte, war es doch eng mit Ländern wie Libyen, Saudi-Arabien und später dem Iran verbunden – alles Staaten, deren Rhetorik gegenüber Israel feindlich war. Bis heute haben Israel und Pakistan keine diplomatischen Beziehungen aufgenommen. Auch Indien hatte bis 1992 keine diplomatischen Beziehungen zu Israel, gab sich antizionistisch und unterstützte bis dahin Israel-kritische Resolutionen in der Vollversammlung der Vereinten Nationen.

Jedenfalls lehnte Indien das israelische Ansinnen 1980 ab – aus Sorge vor einer unkontrollierbaren Eskalation mit Pakistan. In Neu-Delhi überwogen offenbar die Sorgen um politischen und militärischen Risiken gegenüber der Möglichkeit, das pakistanische Atomprogramm frühzeitig zu stoppen.

Der Fall Pakistan 1980 und der Fall Iran 2025 weisen trotz unterschiedlicher regionaler Konstellationen bemerkenswerte Parallelen auf. In beiden Fällen sieht sich Israel von einem muslimischen Staat bedroht, der an der Schwelle zur Atombombe steht. Der Unterschied liegt unter anderem in der politischen Legitimation. Pakistan hatte sich damals bewusst außerhalb des israelisch-arabischen Konflikts positioniert. Der Iran hingegen hat sich durch seine offene Feindschaft gegenüber Israel und die Unterstützung von Hisbollah und anderen anti-israelischen Milizen selbst in die Rolle des Erzfeindes begeben.

Das israelische Angebot an Indien, Pakistan zu bombardieren, war letztlich ein Ausdruck jener Grundlogik, die auch heute noch das strategische Denken dominiert: Atomwaffen in den Händen feindlicher Staaten verändern das Kräfteverhältnis unumkehrbar – also müsse gehandelt werden, bevor es zu spät ist. Diese Denkweise steht freilich in einem Spannungsverhältnis zu Völkerrecht, UNO-Charta und multilateralen Kontrollregimen wie dem Nichtverbreitungsvertrag (NPT), dessen Erosion in den letzten Jahren dramatisch zugenommen hat.

Der löchrige Vertrag zum Verbot von Atomwaffen (TPNW), den Israel nicht unterzeichnet hat, bleibt für solche Fälle machtlos. Auch die alten Atomwaffenstaaten selbst verweigern sich konsequent einer nuklearen Abrüstung – was Ländern wie dem Iran ein moralisches Argument liefert, ein „Gleichgewicht des Schreckens“ zu erzwingen. Im Gegenteil: China rüstet seine Atomwaffen dramatisch auf, die USA und Russland modernisieren ihre Atomwaffen laufend. Insgesamt gibt es aktuell schätzungsweise mehr als 12.200 nukleare Sprengköpfe. Der letzte Vertrag über die nukleare Rüstungskontrolle zwischen Russland und den USA läuft Anfang kommenden Jahres vermutlich ersatzlos aus.

Das Friedensforschungsinstitut SIPRI warnte dieser Tage vor einem neuen atomaren Wettrüsten. Hinzu kommt, dass durch den wachsenden Einsatz von künstlicher Intelligenz die Gefahr eines Atomkriegs „aus Versehen“ eher größer als kleiner wird. Der aktuelle Krieg gegen Iran ist in dieser Perspektive nur das jüngste Kapitel in einem langen, gefährlichen Spiel mit atomarem Feuer. Angesichts der Drohungen aus Nordkorea spielen selbst Südkorea und Japan mit dem Gedanken der Entwicklung der Bombe, und auch in Saudiarabien laufen seit einigen Jahren Forschungsprojekte in dieser Richtung.

Als im vergangenen Monat Indien als Vergeltung für den angeblich von Pakistan ferngesteuerten Anschlag in Pahalgam vom 22. April Lager von islamistischen Gruppen auf pakistanischem Staatsgebiet mit gezielten Luftschlägen eliminierte und Pakistan und Indien vier Tage lang am Rand eines offenen Krieges standen, kamen aus der zweiten Reihe in Pakistan Drohungen mit der nuklearen Keule, die von indischer Seite umgehend zurückgewiesen wurden. Indiens Premier Narendra Modi selbst verkündete mit erhobenem Zeigefinger, man werde sich vom keinem nuklearen „Bluff“ kleinkriegen lassen. Rhetorisch sind die Tabus damit schon gebrochen: Der abgründige Schlund des Zivilisationsbruchs ist vor aller Augen geöffnet.

Heinz Werner Wessler

 

 

 

 

 

 

 

 

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