Am 22. Oktober dieses Jahres wird der weltberühmte Autor Salman Rushdie im Rahmen der Frankfurter Buchmesse mit dem diesjährigen Friedenspreis geehrt. Traditionell findet die Verleihung in der Paulskirche statt, dem wohl wichtigsten Erinnerungsplatz der Revolution von 1848, als hier das erste deutsche Parlament tagte. Rushdie ist ohne Zweifel einer der wichtigsten Kämpfer und Symbolfiguren des freien Worts, für dessen Verteidigung der wohl wichtigste deutsche Literaturpreis vergeben wird. Rushdie stammt aus Mumbai – eine Stadt, die ihn geprägt hat und die immer wieder in seinem Werk auftaucht, nicht nur in den „Mitternachtskindern“ – ein Meisterwerk des magischen Realismus, das 1981 den jungen Autor mit einem Mal weltweit berühmt machte und ihm den Booker-Preis eintrug. 2008 erhielt der Roman sogar die Ehrung „Best of Booker“, also das beste unter allen bis dahin geehrten Titeln, die den Booker-Preis bekommen hatten. Rushdie ist zweifellos einer der ganz großen Autoren englischer Sprache.
Schon bevor 1989 der greise Imam Khomeini seine berüchtigte Todes-Fatwa gegen den Verfasser des Romans „Die satanischen Verse“ aussprach, wurde Rushdie als Kandidat für den Nobelpreis für Literatur behandelt. Doch die schwedische Akademie in Stockholm hat ihm diese Ehrung bisher versagt. Man fragt sich, warum Rushdie ausgerechnet jetzt im Jahr 2023 des wohl bedeutendsten deutschen Preis für Literatur erhält und nicht schon viel früher. Seltsam insbesondere, dass 1995 Annemarie Schimmel mit dem begehrten Friedenspreis ausgezeichnet wurde, die als Orientalistin mit gewundenen Worten praktisch um Verständnis für die Fatwa geworben hatte.
Der Preis 2023 kann als späte Genugtuung für Rushdie gelten. Der Buchhandel würdigt seit 1950 jährlich Persönlichkeiten, „die in Literatur, Wissenschaft oder Kunst zur Verwirklichung des Friedensgedankens beigetragen haben“, wie es in der offiziellen Auslobung heißt. In der Begründung der Jury wird ausdrücklich auf die „Deutungen von Migration und globaler Politik“ im Roman „Mitternachtskinder“ verwiesen. Rushdie sei „einer der leidenschaftlichsten Verfechter der Freiheit des Denkens und der Sprache“.
Die Fatwa, das jahrzehntelange Leben unter strengem Polizeischutz und das Attentat vom August 2022 haben die Widerstandkraft Rushdies nicht gebrochen. Zahlreiche Werke sind nach 1989 erschienen, zuletzt „Victory City“, der noch einmal nach Indien zurückkehrt – die imaginative Erzählung der Prinzessin Pampa Kampana über den Fall des südindischen Reiches von Vijayanagara im 16. Jahrhundert. Kurz vor der Publikation wurde Rushdie im August vorigen Jahres bei einer öffentlichen Veranstaltung von einem mit einem Messer bewaffneten islamistischen Attentäter lebensgefährlich verletzt. Er verlor dabei zwar ein Auge – doch er überlebte auch diese Prüfung. Das Südasienbüro freut sich über diese Ehrung eines Autors von Weltliteratur aus dem indischen Subkontinent.
Heinz Werner Wessler