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Swadeshi-Laptop: Der Trend geht zum einheimischen Gerät

Das indische Wirtschaftsministerium hat vorige Woche überraschend kräftige Importbeschränkungen für Laptops, Tablets und Server angekündigt. Zunächst hieß es, die neuen Beschränkungen für den Import von Konsumelektronik träten sofort in Kraft. Am Freitag teilte der stellvertretende IT-Minister Indiens, Rajeev Chandrasekhar, zur Beruhigung der verunsicherten Elektronikbranche in einer nachgeschobenen Erklärung mit, die Umsetzung der neuen Importregelung werde erst am 31. Oktober in Kraft treten. Die Beschränkung werde auch nicht für Passagiere gelten, die die genannten Geräte in ihrem Gepäck mitführen.

Computeranbieter wie Dell, Apple und Samsung reagierten prompt auf die Mitteilung vom Donnerstag und stoppten alle neuen Importe, wie Bloomberg News zuvor berichtet hatte. Indien hat in den letzten Jahren kampagnenmäßig („Make in India“) Anreize für Unternehmen geschaffen, um die inländische Produktion anzukurbeln. Die Initiative hat in den letzten Jahren bereits erfolgreich eine Vielzahl von Smartphone-Herstellern angezogen und weckt nun zunehmend das Interesse von Chip-Herstellern und Halbleiterproduzenten. Indien profitiert dabei von einem globalen Trend: Immer mehr Hersteller versuchen, Abhängigkeit von China zu reduzieren und verlegen einen Teil der Produktion von Laptops und Smartphones in andere Länder. 2017 eröffnete Samsung in Noida, einem Vorort Delhis, die damals größte Smartphone-Fabrik der Welt. Apple produzierte dieses Jahr sieben Prozent aller iPhones weltweit in Indien, im Jahr 2021 war es lediglich ein Prozent gewesen.

Im Mai enthüllte die Regierung von Narendra Modi ein 2 Milliarden US-Dollar schweres Programm, das darauf abzielt, Unternehmen zu fördern, die vor Ort Hardware wie Laptops, PCs, Server und entsprechende Edge-Computing-Kits herstellen. Das Programm war eine Aktualisierung des vorherigen Programms, für das die Regierung 892 Millionen US-Dollar bereitstellen wollte. Die in Hongkong ansässige Marktforschungsfirma Counterpoint schätzt, dass während der ersten Hälfte des Jahres 2023 etwa 30% bis 35% der nach Indien gelieferten Laptops und 30% der Tablets vor Ort hergestellt wurden.

Die Ankündigung der Beschränkungen vom Donnerstag, die einer ähnlichen Begrenzung des Imports von Smart-TVs vor Jahren folgt, dürfte die lokale Fertigung voraussichtlich ankurbeln. Laut Analysten hat Indiens Verbot von Smart-TV-Importen vor fast drei Jahren die lokale Produktion deutlich gesteigert.

Importsubstitution war bereits das wirtschaftspoitische Zauberwort der Regierung Nehru und der folgenden Kongressregierungen bis in die 1980er Jahre. Diese Politik sah sich auch in der Tradition des Freiheitskampfes, der auf mehr “swadeshi” gesetzt hatte – mehr Eigenproduktion, um damit die ausbeuterische koloniale Wirtschaftsordnung zu unterminieren und zugleich Identität zu gewinnen. Erst Rajiv Gandhi setzte als Premierminister vorsichtig erste Signale in Richtung Marktliberalisierung, die dann Anfang der 1990er Jahre unter Premierminister Narasimha Rao angesichts des nahenden Staatsbankrotts zum rasanten Wirtschaftsboom der folgenden Jahre führte.

Die Ankündigung von Importbeschränkungen für Konsumelektronik fällt wohl nicht zufällig mit der Marktlancierung des neuen Jio-Laptops zusammen, der für sagenhafte 16.499 Rupees zu haben ist – kaum mehr als 180 Euro. Jio gehört zum Reliance-Konglomerat des einflussreichen Magnaten Mukesh Ambani, Gujarati und einer der umtriebigsten indischen Industriellen – und enger Freund von Premierminister Narendra Modi. Die Schon seit vielen Jahren will die Regierung, dass alle indischen Schüler mit einem Laptop ausgestattet sein sollen. Es bestehen gute Chancen, dass dieser Laptop in Zukunft ganz aus indischer Produktion kommt – und dass Jio daran gut verdienen wird.

Heinz Werner Wessler

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